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42 (September 2010)

27 Mai

Der Seriencheck #42 mit den neuen Dreherzeugnissen der US-Herbstkollektion:

Better With You

Eine Familie, drei Paare in unterschiedlichen Liebesverhältnissen. Die Eltern, seit über drei Jahrzehnten verheiratet. Die älteste Tochter seit 9 Jahren in wilder Ehe lebend. Schließlich das Nesthäkchen, das sich just frisch verlobt hat. Was die trauscheinlose Schwester in die Sinnkrise stürzt. Macht zusammengefasst eine neue Beziehungskomödie, deren Anfang mich frappierend an „Til Death“ erinnerte.

Das Problem: wo bei „Til Death“ (dessen 1. Staffel ich sehr ordentlich fand) die Pärchen zu Beginn den Zuschauer in ihren Bann zogen, konnten mich von den sechs Beziehungstätern hier nur die beiden knarzigen Ehe-Urgesteine Debra Jo Rupp (That 70s Show) und Kurt Fuller (Scary Movie, Psych) einigermaßen überzeugen. Töchter und Schwiegersöhne blieben blass, ihre Dialoge rauschten schmunzelfrei an mir vorbei. Insgesamt zu bieder, zu harmlos und zu nett, um mir für die nächsten Episoden ein „Ich will“ abzuringen.

Pilotwertung: 3.5 von 6 Punkten (unterdurchschnittlich)

Boardwalk Empire

Wir schreiben das Jahr 1920, die Zeit der Prohibition, der Beginn der Mafia-Epoche in den USA. In Atlantic City dreht sich Schatzkämmerer Enoch „Nucky“ Thompson die politischen Umwälzungen des amerikanischen Kongresses so, wie sie ihm am meisten nützen. Intrigen, Opportunismus und illegale Transaktionen bestimmen sein Tagewerk – aber auch die stille Sehnsucht nach einer Familie.

HBO-Serie. Hauptrolle: Steve Buscemi. Ausführender Produzent: Martin Scorsese. Drehbuch: Terence Winter („The Sopranos“). Ich schließe die Beweisführung, denn diese Aufzählung allein dürfte für Fans des Genres eigentlich schon reichen, um die Show zu bewerten. Ein knapp 80-minütiger Einstieg, üppige Ausstattung, explizite Sex- und Gewaltszenen, großartige Darsteller, lässige Dialoge. Wer schon den Soprano-Clan großartig fand, wird diese Show direkt vom ersten Blutfleck weg her lieben. Mich hat der Pilot jedenfalls bereits standesgemäß weggeknallt. Boardwalk Empire könnte das Drama-Highlight dieser Saison werden.

Pilotwertung: 6 von 6 Punkten (überragend)

Raising Hope

Eine Geschichte, wie sie jedem schon einmal untergekommen ist. Der unbedarfte Sproß eines einkommens- und bildungsschwachen Familienclans schwängert eine Mörderin, die im Gefängnis das Kind zur Welt bringt und danach auf den elektrischen Stuhl wandert. Der frischgebackene Papa darf sich nun mitsamt seiner Familie um den Nachwuchs kümmern und beweist komplette Überfordertheit mit dieser Aufgabe.

Neue Low Life-Comedy vom My Name Is Earl-Produzenten Greg Garcia. Wer den Humor von Earl mochte, dürfte auch an Raising Hope Gefallen finden. Hart, aber herzlich umschreibt den Witz der Show ziemlich treffend. Wer die gezeigten früheren und aktuellen elterlichen Aufziehmethoden nicht allzu ernst nimmt und über im Auto herumfliegende Kindersitze oder Plastikhandschuhe als Übergangsssauger schmunzeln statt stirnrunzeln kann, ist bei Raising Hope richtig. Ich gestehe, herzhaft gelacht zu haben.

Pilotwertung: 5.5 von 6 Punkten (sehr gut)

The Event

„LOST“ und „FlashForward“ haben heimlich einen kleinen Bruder bekommen. Zu Beginn von „The Event“ wird der Zuschauer kopfüber in kaltes Wasser geworfen. Es gibt keine klare Erzählstruktur, sondern  verwirrend viele Rückblenden und Versatzstücke einer Story, die sich im Verlauf der ersten Episode um eine Flugzeugentführung, ein Attentat auf den US-Präsidenten, ein Lager mit außergewöhnlich befähigten Gefangenen, Erpressung und Verschwörung dreht. Kurzgefasst eine Mysteryserie mit einer Prise 24 abgeschmeckt, denn zumindest im Piloten wird actionmäßig einiges aufgeboten, um den Zuschauer bei der Stange zu halten.

Ich bleibe bei derartigen Formaten aus Prinzip vorsichtig abwartend und achte auf die zwei Faktoren, die für solch eine Serie den Todesstoß bedeuten können – erstens die Verschmähung durch den Zuschauer, zweitens das Abdriften in die Regionen der geheimnisvollen Verdunkelung um jeden Preis bzw. schlichter bis schlechter Auflösung. Zumindest für Letzteres kann ich nach zwei gesehenen Folgen Entwarnung geben: das Versprechen der Autoren, in gleichem Maße Mysterien aufzudecken wie hinzuzufügen, wird bisher eingehalten. Auch wenn ich wahrlich kein Fan des Flashback-Overkills bin (bei jedem Schnitt mit der Einblendung  „Vor soundsoviel Stunden/Monaten/Jahren“ ist es bei mir Usus, zunächst einmal tief aufzuseufzen), kann ich nicht von der Hand weisen, dass „The Event“ bisher gute Unterhaltung abliefert. Abzuwarten bleibt, in welche Richtung die Show driften wird. Weniger schön hingegen ist die Tatsache, dass zur zweiten Episode schon ein erheblicher Teil der US-Zuschauer nicht mehr eingeschaltet hat. Im Moment würde ich mich ärgern, wenn die Show dadurch unvollendet bleiben würde.

Pilotwertung: 5.0 von 6 Punkten (gut) / S1E02: 5.0 von 6 Punkten (gut)

$#*! My Dad Says

Frustrierter Mittzwanziger zieht wegen finanzieller Probleme bei seinem Vater ein, darf sich von nun an jeden Tag vorwurfsvolle Sprüche seines Erzeugers anhören und veröffentlicht dessen „Weisheiten“ schließlich auf einem Twitterkonto, welches in der Netzwelt zu Berühmtheit gelangt. CBS strickt eine Comedyserie daraus und besetzt die Hauptrolle mit William Shatner.

Wie füllt man mit kurzen, derben Tweets eine 22-minütige Comedyshow auf einem Familiensender? Schwerlich. Und genau das merkt man der Show auch an. Shatner als verbitterter, zynischer Daddy passt durchaus. Einerseits jedoch geraten die übrigen Figuren wie der Sohn, die Tochter und der Schwager zu absolut belanglosen Randfiguren. Andererseits fehlt den Dialogen letzten Endes die Schärfe des Originals, was bereits in der peinlichen Schreibweise des Titels zum Ausdruck kommt. Auf HBO oder Showtime hätten die Autoren sich wahrscheinlich besser austoben können – so fällt schnell auf, wo das Original zitiert und wo Füllmaterial geliefert wird. Auch hier kann man sich den Piloten allein schon wegen good ole Bill Shatner durchaus anschauen, aber ich bezweifle stark, dass $#*! My Dad Says eine volle Staffel durchstehen wird.

Pilotwertung: 4.5 von 6 Punkten (befriedigend)

Mike & Molly

Braucht die Serienwelt unbedingt eine Dickencomedy? Erfolgsproduzent Chuck Lorre (Two And A Half Men, The Big Bang Theory) meint ja und präsentiert die Geschichte von Mike (Billy Gardell, Yes Dear), einem beleibten Polizisten und Molly (Melissa McCarthy, Gilmore Girls), einer Lehrerin, die sich bei einem Treffen der anonymen Fresssüchtigen kennenlernen.

Ich fand die Staffeleröffnung gar nicht so schlecht wie erwartet, auch wenn mir die Figur von Mollys Schwester Victoria (Katy Mixon) schon gleich auf die Nerven ging. Serviert wurden Witze von Dicken über Dicke, was sehr augenzwinkernd und sympathisch rüberkam. Komödiantisches Talent ist bei den beiden Hauptdarstellern zweifellos vorhanden. Meine Befürchtung, dass die „fatty jokes“ nicht für eine ganze Staffel reichen würden, bestätigte sich allerdings schon in der zweiten Episode, die mir bei weitem mehr bemüht als spielend witzig herüberkam. Zumindest stimmen bisher die Zuschauerzahlen, auch die zweite Folge brachte nicht den gefürchteten Quoteneinbruch.

Pilotwertung: 4.5 von 6 Punkten (befriedigend) / S1E02-Wertung: 3.5 von 6 Punkten (unterdurchschnittlich)

Outsourced

Workplace-Comedy um einen jungen CallCenter-Leiter, dessen Abteilung während einer Fortbildung komplett nach Indien ausgelagert wurde und der nun vor Ort eine Truppe von tendenziell ahnungslosen Einheimischen zu Verkaufsgesprächhöchstleistungen für uramerikanischen Krimskrams treiben soll.

Ich frage mich manchmal schon, wie so manches Projekt überhaupt von den Studiobossen abgesegnet werden kann. Die Amis stecken immer noch tief in der Wirtschaftskrise, viele befürchten den Verlust ihres Arbeitsplatzes, Outsourcing ist für Arbeitnehmer gleichbedeutend mit einem Schreckgespenst – mmmh, da produzieren wir doch flugs mal eine Komödie drüber. Mit vielen lustigen Indern und ihren landestypischen Eigenheiten wie schüchternen Schönheiten, extrem scharfem Essen, heiligen Kühen und putzigen Dialekten. Das alles wird schon in der Pilotfolge verwurstet. Tanz- und Gesangseinlagen à la Bollywood stehen bestimmt bereits in den Drehbüchern.

Okay, ich mochte Gupta, den redseligen Außenseiter, mit dem niemand in eine Konversation verwickelt sein will. Hauptdarsteller Ben Rappaport versucht sich als „Jim Harper aus The Office“-Kopie, sein Assistant Manager (wieder eine The Office-Referenz) schielt schon auf die Chefposition. Der Rest des Casts bleibt eindimensional. Ich will den Piloten gar nicht in der Luft zerreißen, denn der war eigentlich recht gefällig. Allerdings würde es mich schwer wundern, wenn sich aus den ganzen Zutaten eine Serie stricken ließe, bei dem das US-Publikum dranbleibt und die jede Folge unterhaltsame Geschichten abseits der Klischeehaftigkeit vom lächelnden, aber nichts kapierenden Inder zu bieten hat.

Pilotwertung: 4.0 von 6 Punkten (durchschnittlich)

Running Wilde

Der exzentrische Millionär und Berufssohn Steven Wilde langweilt sich durch seinen Luxusalltag, der von fürsorglichen Bediensteten und Geldausgebewettbewerben mit Nachbar Fa’ad bestimmt wird. Bis plötzlich Steves Jugendliebe, die ökologisch engagierte Emmy Kadubic mit ihrer Tochter Puddle Einzug in sein Leben hält.

Arrested Development-Mastermind Mitchell Hurwitz mit einer neuen Show, dazu noch die alten Kulthelden Will Arnett und David Cross an Bord – so viel kann da eigentlich nicht schiefgehen. Tut es auch nicht, denn der Pilot hat einige herzhaft bizarrhumorige Momente zu bieten, für die die Fans die Show mit den Bluths einst so liebten. Alleine die Namensgebung der Tochter (Puddle Kadubic) erinnert bereits wohlig an Maeby Fünke. Aus dem Stand kann die Show allerdings noch nicht die Genialität des Vorgängers erreichen, gute Ansätze sind jedoch vorhanden. Mal abwarten, was die Drehbuchschreiber aus der Beziehung zwischen Snob und Öko noch herausholen.

Pilotwertung: 5.0 von 6 Punkten (gut)

No Ordinary Family

Michael Chiklis (The Shield) und Julie Benz (Dexter) spielen das Ehepaar Powell, das sich auseinandergelebt hat. Eine gemeinsame Urlaubsreise mit den beiden Kindern in den brasilianischen Regenwald endet in einem Flugzeugabsturz über See. Doch der Aufenthalt im mysteriös blubbernden Wasser verändert die ganz normale Familie und schenkt ihnen Superkräfte, mit deren Hilfe sie den Alltag meistern.

Da haben wir ihn, den ersten ganz großen Stinker der Saison. So sehr ich Chiklis und Benz mag, so sehr stimmt hier so gut wie gar nichts. Das fängt schon beim Casting an, denn weder nehme ich dem bulligen Chiklis mit seiner The Shield-Vergangenheit den zurückhaltenden, karrieremäßig schüchternen Daddy ab, noch Benz ihre Rolle als hochbezahlte und gestresste Wissenschaftlerin. Zweitens die Story: ernsthaft, wer will Superheldenfähigkeiten im Alltagseinsatz sehen? Okay, der Vater, der mit Riesensätzen hinter Verbrechern herjagt, geht noch in Ordnung. Aber die Mutter, die rasend schnell rennen und -hurra- deshalb früher nach Hause kommt, um sich um die Kinder zu kümmern? Die Teenie-Tochter, die durch Gedankenlesen herausfindet, dass ihr Freund sie nicht mehr mag und schon eine andere am Start hat? Aaargh. Superhelden sind das Produkt der Träume von jungen oder alten Kerlen, die dem Alltag entfliehen wollen. Dieses Konzept nun mit einer kreuzbraven Familienserie zu vermischen wirkt genauso bizarr, als würde man Jason Statham in einer romantischen Komödie ein Zimmermädchen spielen lassen, das sich in seinen Chef verliebt hat. Schon nach einer Episode kann ich mit Sicherheit sagen, dass ich mir „No Ordinary Family“ nicht weiter ansehen werde. Wer eine mit realen Schauspielern besetzte, harmlos-familienfreundliche Version des Pixarstreifens „The Incredibles“ ohne Witz und skurrile Charaktere sehen will, darf reingucken. Ich übernehme allerdings keine Haftung für Folgeschäden.

Pilotwertung: 2.0 von 6 Punkten (sofort absetzungswürdig)