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141 (August 2023)

6 Sept

Es gibt noch mehr als genug zu besprechen. Zumindestens, was Serien angeht. Beim Drehbuchautoren- und jetzt auch Schauspielerstreik ist kein Ende in Sicht, allerdings lagert noch reichlich fertiges Material zur Bewertung bereit. Leider auch zur kritischen, wie gleich der erste Kandidat zeigt.

STAR TREK: STRANGE NEW WORLDS (Season 2)

„Ja, da bricht mir doch die Haarsteilwand weg!“, ruft Captain Pike und schlägt mit der flachen Hand auf die Lehne seines Kommandostuhls auf der Brücke der USS Enterprise. „Roter Alarm! Photonen-Torpedos bereitmachen! Dr. M’Benga, brauen Sie meinen Beruhigungstee! Das kann ja wohl nicht wahr sein! Uhura, öffnen Sie einen Kanal zu Kadett Inishmore, der soll SOFORT hier antanzen!“ 

Wenige Minuten später kann ich kaum zu einer freundlichen Begrüßung ansetzen, als es mir  entgegenschallt: „4,65 Punkte für die zweite Staffel? Vier Komma Sechs Fünf??? Nach 5,35 Punkten und fast schon schamloser Lobhudelei für die erste? Das kann nicht ihr Ernst sein, Kadett? Erklären Sie sich!“

 „Okay, um direkt etwas Positives anzumerken: Ich mag die Crew weiterhin. Die machen Spaß, da stimmt die Kameraderie, mit denen würde ich in einen galaktischen Krieg ziehen. Das gilt auch für die neuen Figuren, wobei ich mich mit Commander Pelia ziemlich schwer tat. Ich guck das ja im Original und bei ihr musste ich jedes Mal die englischen Untertitel einschalten, um sie zu verstehen.“

„Commander Pelia, stimmt das?“

*krächzelkrachzelgrummelquietsch*

„Uhura, können Sie das übersetzen? Nein? Egal. Weiter.“ 

„Es hakte an den Drehbüchern, die waren fast durch die Phaserbank nicht berauschend. Schon im Auftakt haben Dr. M’Benga und Schwester Christine eine Szene, die mich mehr an Asterix & Obelix als an Star Trek erinnerte. Die Gerichtsepisode danach? Hat mich als eher kümmerlichen Erdjuristen nicht überzeugt, das war doch sehr dahingeholpert auf einen rechtlichen Kunstgriff. 

Dann die zwei Episoden, in denen alle Crewmitglieder vergessen, wer sie sind bzw. Uhura als Einzige irgendwelche Geräusche von Aliens hört, worauf eine ganze neue sauteure Raumstation weggeblasen wird, damit diese aufhören. Das liest sich bereits in der Zusammenfassung wenig spektakulär oder spannend, sondern eher dröge. Muss ich dann noch erwähnen, dass es die Autoren als Hammerdrehbuchvorlage verkauft haben, Spock temporär seine spitzen Ohren wegzunehmen und sich als Mensch einem stocksteifen Vulkanierdinner zu stellen?“  

„Ich muss Ihnen zugestehen, Kadett, mir kam Spock diese Saison auch ein wenig gefühlsduselig-waschlappig daher mit seinem Techtelmechtel hinsichtlich unserer Bordkrankenschwester.“  

„Captain! Nicht faszinierend vor der versammelten Mannschaft!“ 

„Aber jetzt mal zu den zwei Knallern, Inishmore! Die ultracoole hippe und trendy Lower Decks-Crossover-Folge „Those Old Scientists“ mit echten Darstellern von Ensign Boimler und Ensign Mariner! Plus animierten Versionen unserer Truppe. Das feierten alle Kids und Kiddies ab. Und natürlich die Musical-Folge „Subspace Rhapsody“ – haben wir nicht alle toll gesungen? Ja, wir können auch singen, sogar der Captain. Was verziehen Sie denn jetzt das Gesicht, Kadett?“ 

„Also, wer „Lower Decks“ toll findet, konnte da wirklich begeistert sein und auf meine Wertung gut was draufpacken. Wer das aber nicht schaut, weil ihn die Charaktere mit ihrer ADHS-Zappeligkeit so nerven, dass er niemals eine Folge komplett durchstehen würde… verteilt dafür auch nur ein befriedigend (4,5 Punkte). Die Musicalfolge, tja… ich habe Star Trek nie wegen der Gesangseinlagen geschaut, um ehrlich zu sein. Wiederum, wer American Idol oder The Voice oder The Masked Singer als Fan verfolgt, mag da neu zur Zielgruppe stoßen, aber meine Wenigkeit fand es nur okay. Dass die Nummer mit den Klingonen, die zu K-Pop abtanzen, vollkommen drüber war, da sind wir uns aber einig, oder?“ 

„Ich habe gleich gesagt, dass man die Version mit der klingonischen Oper nehmen soll. Sie sind schwer zu beeindrucken, Kadett. Der Rest der Staffel war aber gut, nehme ich an?“ 

„Da konnte ich wenig meckern. Vielleicht noch daran, dass die Gorn mir zu sehr wie die klapprige Vorstufe zu den Viechern aus den „Alien“-Filmen aussehen. Aber immerhin ein Fortschritt zu ihrer Darstellung in der Original Serie. Der Cliffhanger im Finale ist fies, zumal wegen des Autorenstreiks eine Fortsetzung wohl lange auf sich warten lassen wird.“ 

„Nun gut. Da werde ich mir beim nächsten Klassentreffen mit den anderen Kapitänen was anhören dürfen, wenn ich mit einer frühen Picard-Wertung aufkreuze. Nummer Eins, spornen Sie die Drehbuchautoren mehr an, wenn sie aus dem Streik kommen. Spock, werden Sie wieder vulkaniger. La’an, senden Sie schlechte Drehbücher umgehend zurück und legen nichs mehr auf den „naja, vielleicht doch“-Stapel. Ich gehe jetzt etwas kochen und will nicht gestört werden. Kadett Inishmore, ich sehe von ihrer Zwangsversetzung auf die USS Discovery ab. Wegtreten.“

„Danke, Captain. Das hätte ich nicht überlebt“  

GESAMTWERTUNG: 4,65 Punkte (befriedigend)

TULSA KING Season 1

Dwight „The General“ Manfredi (Sylvester Stallone) ging für seinen New Yorker Mafia-Clan 25 Jahre in den Bau, verpfiff niemanden, schwieg eisern, verlor den Kontakt zu seiner echten Familie. Raus dem Knast, entscheiden die Bosse, dass Manfredi fortan in Tulsa, Oklahoma eine Dependance errichten soll. Also mitten in der Pampa. Verbannung könnte man auch netter ausdrücken. Dumm, dass die Mafia keine Arbeitsgerichtsbarkeit kennt, ich hätte da umgehend geklagt.
 

Mit Tulsa King gewinnt Sly das Duell gegen Arnold Schwarzenegger, der es mit „Fubar“ nicht geschafft hat, dass ich seine aktuelle Show eine ganze Staffel gesehen habe.
 

[Kurzkritik zu Fubar: Arnold nimmt man die Action nicht mehr ab, die Oneliner zu bemüht, Drehbuchlogik der Marke „Hey, ist doch spaßig, wie wenig wir uns daraus machen“, die Sidekicks auf zu krampfhaft lustig getrimmt. Die Show möchte gerne True Lies mit noch mehr Humor im Serienformat bieten, aber es sind halt nicht mehr die 90er und Arnold nicht mehr der Alte, sondern nur alt.]
 

Sicherlich wird das Mafia-Drama hier nicht neu erfunden, die Nummer mit dem alternden Mafiosi fernab üblicher Verbrechensgestade gab es schon mit Lillyhammer und Steven van Zandt. Aber ich mochte die Nebenakteure wie Martin Starr („Silicon Valley“), dessen legale Marihuana-Butze vom General direkt als Hauptquartier übernommen wird, den härtesten irischen Akzent  von sich gebenden Bösewicht Caolan Waltrip (Richie Coster, „Happy!“) sowie die Bedrohungen durch FBI und die sich neu entwickelnden Machtstrukturen bei der New Yorker Hauptfiliale.
 

Stallone spielt seine Rolle stoisch, lässig und sympathisch sämtlichen neuen Trends hinterherhängend. Kann aber auch austeilen, wenn es zu viel wird. Vom Spannungsaufbau lief es nach gutem Start eher okay, nahm dann aber ab der Mitte konstant Fahrt auf bis zum Finale, welches mich eher dezent enttäuscht zurückließ. Gleich zwei groß erwartete Konfrontationen liefen doch eher unspektakulär ab und der Rausschmeißer knallte bei mir auch nicht sonderlich rein. Für eine zweite Staffel könnte man mich aber durchaus erpressen.
 

GESAMTWERTUNG: 4,94 Punkte (befriedigend +)

BLACK MIRROR Season 6

In letzter Zeit rutschen mir neue Ausgaben von BLACK MIRROR gerne durch. Was damit zusammenhängen könnte, dass die Show nicht mehr die großen Fernsehmomente liefert wie zu früheren Staffeln. Das Portfolio 2023 war da leider keine Ausnahme:

Joan Is Awful
Die Folge für mich zu gewissen Teilen auch. Wird zwar von vielen als beste Episode der Staffel gesehen, weil sie noch am ehesten die „neue Technologie eskaliert in warnender Weise“-Schiene fährt. Mir aber war das neben dem Netflix-Seitenhieb doch zu überkonstruiert (Verzicht auf Persönlichkeitsrechte in den AGB und eine KI schneidet aus deinen Handyaufnahmen eine Serie? Na klar!), Salma Hayek als derb fluchende Schönheit bereitet mir schon seit „Killer’s Bodyguard 2“ unerträgliche körperliche Schmerzen und die Kirchenszene soll halt schockieren, mich hat sie peinlich angeödet. 

4,0 Punkte
 

Loch Henry
Ordentlich. Ruhig. Als Zuschauer wartet man aber gespannt, dass es irgendwann zur großen Überraschung mit schlimmer Entgleisung kommt. Tut es aber nicht. Erinnert mich an die Erwartungshaltung, die seinerzeit „The Village“ von M. Night Shyamalan entgegengebracht wurde. Wer keinen Schocker erwartet, wird nett unterhalten.

4,5 Punkte
 

Beyond the Sea
Alternative Zeitlinie, in die man als Zuschauer ohne Plan reingeworfen wird. Astronauten in schwer seltsamer Berufsausübung. Gute Darsteller. Hatte mich direkt am Haken. Leider krankt das Drehbuch doch an einigen Löchern, das Ende läuft anders als erwartet ab (bestimmt nur um  den Erwartungen der Zuschauer entgegenzulaufen). Reicht trotz angenehmer Skurrilität nicht für 5 Punkte.

4,5 Punkte
 

Mazey Day
Paparazzi-Monster vs Promi-Monster. Okay. Kann man machen. Hat mich nicht gelangweilt oder geärgert. Ging in Ordnung.

4,5 Punkte 

Demon 79
Abgedreht. Lustig. Ich werde den Sänger/Tänzer von Boney M. fortan mit anderen Augen sehen. Fand ich am stärksten, auch wegen des herrlich kompromisslosen Endes. In der Art gerne mehr.

5,0 Punkte  

JUSTIFIED: CITY PRIMEVAL Season 1


Raylan Givens (Timothy Olyphant) ermittelt wieder mit dem Colt in der Hand, was für mich sehr überraschend kam, hatte ich doch von dem Ableger City Primeval bis kurz vor Start gar nichts gehört.  Weiterhin mit Stetson auf dem Kopf, dafür ohne den Lincoln Town Car und auch ohne die Gangstagrass-Intromusik von T.O.N.E-z. unterstützt der mittlerweile in Florida ansässige Marshall seine Kollegen in Detroit, wo es ihn mit seiner Tochter im Teenageralter (gespielt von Vivian Olyphant, Timothys Spross im echten Leben) kurzzeitig hinverschlagen hat. 

Über die gesamten 8 Episoden gibt es mächtig Ärger mit dem Oklahoma Wildman Clement Mansell (Boyd Holbrook, jüngst im aktuellen Indiana Jones zu sehen) – ein ganz übler Geselle, dessen Verfehlungen sich wie folgt lesen: tötet gern und reichlich, entkommt immer wieder dem Arm des Gesetzes, trägt in den angemieteten vier Wänden oft nur weiße Schlüpper und klaut Oldtimerkarren, um in den dort vorhandenen Cassettendecks seine selbst eingesungene Version der „Seven Nation Army“ der White Stripes zu hören, womit er voller Stolz seine Umgebung belästigt. 

Wer Justified mochte, wird hiervon nicht enttäuscht sein. Freilich ist Clement Mansell (nicht zu verwechseln mit dem Komponisten Clint Mansell) kein Boyd Crowder, aber die Mischung aus Gangsterstory, lässigen Sprüchen und auch mal simpel auf die Fresse funktioniert erneut solide gut nach 8 Jahren Pause. Zudem darf man sich auf ein Wiedersehen mit Victor Williams (Deacon aus „The King of Queens“) freuen und auch Vondie Curtis-Hall hat mich als coole Socke und Kneipenbesitzer Sweetie beeindruckt.     

Das Finale fand ich allerdings nicht so toll, hier wird alles zu einem eher hastigen Ende gebracht, ohne nochmal zu glänzen. Und wenn der Ausblick auf eine mögliche zweite Staffel mir als Zuschauer mehr Appetit macht als der Abschluss geschmeckt hat, ist ein bisschen was in Sachen Dramaturgie schiefgelaufen. Trotzdem reicht es insgesamt für ein knappes „gut“.


GESAMTWERTUNG: 5,05 Punkte (gut-)
 

WHAT WE DO IN THE SHADOWS Season 5
 

Wem die letzte Staffel auch eher wie ein mäßiger Jahrgang Blut am Reißzahn hinabtröpfelte, dem darf ich froh verkünden: Staffel 5 ist wieder richtig toll geworden. Alle Vampire in Bestform, keiner in eher unbefriedigend spaßigen Plots gefangen (Colin Robinson in Season 4, ähem), Kristen Schaal bereichert das Ensemble mit ihrer Figur The Guide als Aufsteigerin in die Hauptdarstellerriege und Guillermo bringt mit seiner Veränderung frischen Wind und Zug in die Geschichte. Auch immer wieder gerne gesehen: Doug Jones (Star Trek: Discovery) als Baron Afanas.

Sechs Mal 5 Punkte, vier Mal 5,5 Punkte, dazu einige schreiend komische Momente wie die Experimente von Laszlo, der Auftritt der Chaoten-WG im Nachrichtenfernsehen, der Besuch beim Vampir-Tierarzt, der hochnotpeinliche Roast oder der Gastauftritt von Patton Oswalt – für mich war diese Staffel die zweitbeste in der Geschichte der Serie (knapp hinter Season 2). Dass die Zuschauerzahlen bei FX nicht die besten waren, ist zwar bedauerlich, aber eine sechste und dann wohl letzte Staffel ist abgesegnet, von daher:  

Don’t sing if you want to live long
They have no use for your song
You’re dead, you’re dead, you’re dead
You’re dead and out of this world

 

GESAMTWERTUNG: 5,40 Punkte (gut +)