Archiv | Juli, 2016

99 (Juli 2016)

27 Jul

Nach einer eher mäßigen Fußball-EM melde ich mich mit einem neuen Seriencheck wieder zurück. Und in Sachen Qualität darf man konstatieren: TV-Serie schlägt Fußball klar mit 4:0, dank vier Mal hochklassigem Fernsehfutter. Siehe die ersten vier Beiträge.

STRANGER THINGS (SEASON 1)

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Wir schreiben die 80er Jahre in einer Kleinstadt in Indiana. Im Anschluss an eine aufregende, mehrstündige Runde Dungeons & Dragons gehen die vier Freunde Mike, Dustin, Lukas und Will auseinander. Doch Will kehrt nicht nach Hause zurück. Das verbliebene Trio macht sich auf Spurensuche und entdeckt vertuschte Geheimexperimente, setzt sich übernatürlichen Kräften aus und stellt sich einem furchterregenden Monster.

Als hätte man vor 30 Jahren ein Stephen King-Skript unter der Leitung von Steven Spielberg verfilmt und dabei die besten Elemente aus „The Goonies“, „E.T.“, „Carrie“, „Stand By Me“ und „Alien“ untergemischt. Oder anders ausgedrückt: Das ist das, was Abrams und Spielberg vor fünf Jahren mit „Super 8“ vorhatten, aber nicht wirklich richtig auf den Punkt bekamen. Wunderbare Unterhaltung, bei der vor allem der überragende Kinderdarsteller-Cast heraussticht, das wohlige Gefühl der guten alten 80er-Filme eingefangen und in acht Episoden eine sauber erzählte, runde Geschichte abgeliefert wird. Meiner Meinung nach die bisher beste Netflix-Produktion. Wer mit den oben genannten Filmen etwas anfangen kann, sollte jetzt schon den Bestellknopf drücken und keine weiteren Inhaltsangaben lesen.

Selbstverständlich gibt es immer Leute, die im einhelligen Jubel den mahnenden, selbstbeschrifteten „Meh, so toll ist es auch nicht!!!“-Zeigefinger erheben müssen. Ja, „Stranger Things“ erfindet nichts neu, Wynona Rider als besorgte Mutter des vermissten Jungen ist zu 99% ihrer Bildschirmzeit verzweifelt, verwirrt oder kurz vorm Durchdrehen, krasser Horror wird nicht geboten (hat den jemand wirklich erwartet?), der Nebenstrang mit der Teenie-Anbandelungskiste hätte nicht sein müssen, tut aber keinem weh. Für die Höchstnote reicht es bei mir auch nicht ganz, aber die Show schrammt nur ganz knapp daran vorbei.

GESAMTWERTUNG: 5,79 PUNKTE (sehr gut)

GAME OF THRONES (SEASON 6)

Die Höchstnote gibt es aber für „Game of Thrones“ mal wieder. Trotz der hier und da auftauchenden, nicht ganz so zupackenden Episode und den berüchtigten „Hach, es geht einfach nicht voran“-Seufzern der ungeduldigen Schar an Fans. Welche allerdings noch schlimmer aufstöhnt, wenn man sie darauf hinweist, dass es ab jetzt nur noch verkürzte Staffeln gibt und ein Ende dieser wahrlich neue Maßstäbe setzenden Fantasy-Serie immer näher rückt. Ich für meinen Teil genieße mittlerweile jede Minute dieser Show und störe mich nicht an Kleinigkeiten, zumal diese – so vorhanden – stets durch schauspielerische Glanzleistungen, dramatische Wendungen oder humorige Anflüge gut ausgeglichen werden.

Letztlich wurde es eine Punktlandung auf die 6,00 und selbst wenn ich nach meinen Berechnungen nicht dort hingekommen wäre, hätte ich großzügig aufrunden müssen. Der Grund: die beiden abschließenden Episoden verdienen eigentlich sieben Punkte, denn was hier abgeliefert wird, nötigt selbst dem hartnäckigsten Kritiker einen vor Staunen offenen Mund ab. Ein furioser Doppelschlag, der wirklich abliefert, keinen Fan der Show unbeeindruckt lässt und den Weg ebnet für eine epische Fortführung in den nächsten beiden Staffeln. Schade, dass es bis zur Fortsetzung diesmal bis zum Sommer 2017 und damit noch länger dauern wird, weil man mit den Dreharbeiten erst beginnen kann, wenn es grimmig-graues Wetter gibt. Winter is really coming.

GESAMTWERTUNG: 6,00 PUNKTE (überragend)

SILICON VALLEY (SEASON 3)

Keine Abnutzungserscheinungen bei Pied Piper. Die Jungs um Obernerd Richard Hendricks programmieren und stolpern wieder durch Arbeitsalltag und Leben, dass es eine wahre Freude ist, ihnen dabei über die Schultern zu schauen. Das Qualitätsmanagement läuft wie geschmiert, schwerwiegende Bugs im Humor-Code konnte ich keine feststellen, nur im Bereich „Merchandise Wearables“ würde ich wirklich mal eine tiefgreifende Optimierung anstrengen wollen. „Silicon Valley“ bleibt das Maß der Dinge in Sachen Nerd-Comedy.

GESAMTWERTUNG: 5,50 PUNKTE (sehr gut)

VEEP (SEASON 5)

Nichts falsch machen kann man mit Selina Meyers. Angesichts der aktuellen Situation im US-Wahlkampf wirkt die Frau und ihr Team kompetent, zurückhaltend und zuverlässig. Doch damit nicht genug: Wer immer auch in der aktuellen Staffel auf die Idee kam, Jonah Ryan sich um ein Amt als Kongressabgeordneter bewerben zu lassen, verdient meine Hochachtung und die Dankbarkeit meines Zwerchfells. Seine Inszenierungen sind pures Entertainment-Gold und können von Donald Trump, wenn er denn endlich zugibt, dass seine Kandidatur nur ein PR-Stunt für einen Auftritt in der nächsten Staffel der Show war, nicht mehr übertroffen werden.

GESAMTWERTUNG: 5,40 PUNKTE (gut +) 

THE PATH (SEASON 1) 

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Da reiche ich nur kurz die Abschlusswertung nach. Ich hatte in meinem ersten Eintrag ja schon die guten Ansätze erwähnt, aber auch auf den großen Knaller gehofft. Der fiel leider dann doch weg, das Mysterium um die Sekte dünnte mir nach der Hälfte der Staffel zu sehr aus, das Finale brachte ebensowenig den Moment, der der ganzen Geschichte einen mich hungrig nach mehr zurücklassenden Kniff mitgegeben hätte. Insgesamt daher eher in die Kategorie „Ganz okay, aber ohne richtigen Payoff“ einzuordnen.

GESAMTWERTUNG: 4,85 PUNKTE (befriedigend)

ANGIE TRIBECA (SEASON 1 / SEASON 2 E01-05)

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Die von Steve Carell („The Office“) und seiner Frau Nancy erschaffene Spoof-Comedy zeigt den Alltag der namensgebenden Heldin (Rashida Jones, „The Office“) in der Spezialeinheit bei der Polizei von L.A.  

„Die nackte Kanone“ stand unübersehbar Pate für diese Show, die allerdings freilich nicht an die Klasse der Trotteligkeit von Lieutenant Detective Frank Drebin herankommt und eher auf dem Level von „Childrens Hospital“ landet. Will sagen: Hier wird um der heiligen Gagdichte willen jeder Witz reingedrückt, egal, wie flach er auch sein mag. So lädt der Chef etwa ins Büro und befiehlt seinen Ermittlern „Grab a seat“ – schon halten die beiden Kommissare wie selbstverständlich je einen Stuhl in der Hand, der Zuschauer fasst sich kurz an den Kopf und schmunzelt dann doch ob dieser Albernheit. Diese Masche, das muss ich gestehen, funktionierte bei mir die erste Staffel ganz ordentlich. Wer also wieder mal sinnlos angeblödelt werden möchte, darf sich die zehn Episoden durchaus gerne ansehen, von mir gibt es dahingehend eine leichte Special Interest-Empfehlung. Die zweite Season hat mich bisher allerdings enttäuscht, da wirft der Humor zumindest für mich kaum mehr etwas ab. Eine Entwicklung, die ich schon bei dem oben erwähnten „Childrens Hospital“ hatte. Irgendwann hat man alle Untiefen gemeinsam durchwatet, hatte seinen Spaß beim seichten Herumplätschern und will etwas anderes.

GESAMTWERTUNG SEASON 1: 4,80 PUNKTE (befriedigend)

DURCHSCHNITTSWERTUNG SEASON 2 NACH 5 EPISODEN: 4,20 PUNKTE (durchschnittlich)

BRAINDEAD (SEASON 1)

Laurel Healy (Mary Elizabeth Winstead, „Scott Pilgrim vs. the World“) ist gerade in Washington angekommen, um ihrem als Senator tätigen Bruder bei einem „government shutdown“ (der Stillegung der Regierung wegen fehlender Einigung über die Bewilligung von Haushaltsmitteln) auszuhelfen. Dabei kommt sie einer wahnwitzigen Epidemie auf die Spur, die erklärt, weshalb in der Hauptstadt alle Politiker, egal ob Republikaner oder Demokraten, durchzudrehen beginnen: Eine außerirdische Käferart, die sich über den Gehörgang einnistet, das Gehirn schleichend auffrisst und seltsamerweise gerne „You Might Think“ von „The Cars“ hört.

Liest sich herrlich bescheuert, hat mit Mrs. Winstead eine wirklich bezaubernde Hauptdarstellerin, Tony Shaloub („Mr. Monk“) ist endlich wieder in einer Fernsehrolle zu sehen und gibt einen republikanischen Bösewicht. Ebenfalls im Repertoire: ein verwirrter Pseudowissenschaftler, explodierende Köpfe und ein jeweils zu Beginn einer Episode gesungener Vorspann mit einem Rückblick auf das Geschehene. Und dennoch: Ich hätte es gerne abgedrehter. Die komische Mischung aus Politik-Drama und Alien-Invasion hätte man noch schärfer, bissiger, wilder ansetzen können. Denn weder reicht „BrainDead“ an den Intrigantenreichtum von „House of Cards“ heran, noch kann man „Veep“ in Sachen Humor das Wasser reichen. Die Show nutzt leider nicht die Chance, dem derzeitigen Politik-Chaos in den USA den Spiegel vorzuhalten, sich krachend und überspitzt lustig zu machen über die amerikanische Parteienlandschaft. Weshalb sie nur ausnahmsweise über die 4,5 Punkte als Standardwertung hinauskommt. Für mich bisher daher lediglich das aktuelle guilty pleasure auf meiner Serienguckliste.

DURCHSCHNITTSWERTUNG NACH FÜNF EPISODEN: 4,70 PUNKTE (befriedigend) 

Demnächst:

OUTCAST (SEASON 1) 

WRECKED (SEASON 1)

VICE PRINCIPALS (SEASON 1)

PREACHER (SEASON 1)

MR. ROBOT (SEASON 2)

RAY DONOVAN (SEASON 4)

THE JIM GAFFIGAN SHOW (SEASON 2)